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Noch behalten die Positronen ihr Geheimnis für sich

AMS-Experiment

Vom AMS-Experiment zur Vermessung der Kosmischen Strahlung erhoffen sich Astroteilchenphysker Hinweise auf die rätselhafte Dunkle Materie, die unser Weltall ausfüllen muss, deren Natur aber bislang ungeklärt ist. Zwar liefern die neusten Resultate des AMS-Experiments noch keinen Durchbruch. Doch gewähren die Resultate, die unter Mitwirkung der Universität Genf zustanden gekommen sind, einen Einblick in die Kosmische Strahlung von bisher ungekannter Präzision.

Das Alpha Magnetic Spectrometer hoch über der Erde.
Image: AMS-Kollaboration

Das Szenario könnte aus dem Drehbuch eines 'Science Fiction'-Films stammen: Die Erde steht aus dem Weltall unter Beschuss, und dies nicht nur zu jeder Zeit, sondern auch noch von allen Seiten! Drehbuchautoren müssen sich dieses Szenario allerdings gar nicht erst ausdenken, denn es ist schon lange Realität. Die Erde steht tatsächlich ständig und von allen Seiten unter Beschuss. Die Geschosse stammen von der Sonne, aus der Milchstrasse und auch von ausserhalb der Milchstrasse. Abgeschossen wurden die Geschosse allerdings nicht von grimmigen Weltraumkriegern. Woher dieser Beschuss – Astroteilchenphysiker sprechen von Kosmischer Strahlung – allerdings tatsächlich stammt, ist heute noch eine weitgehend ungeklärte Frage.

Messungen seit drei Jahren

Aufklärung soll nun das Alpha Magnetic Spectrometer (AMS) bringen. Bei AMS handelt es sich um einen Teilchendetektor, der 2011 auf der Internationalen Raumstation ISS installiert wurde mit dem Ziel, die kosmische Strahlung zu vermessen. Seither konnten mit diesem Gerät 41 Milliarden Teilchen der Kosmischen Strahlung erfasst werden. Die meisten davon waren Protonen. Bei 10 Millionen handelte es sich hingegen um Elektronen oder Positronen. Letztere sind die Antiteilchen der Elektronen, haben also die gleiche Masse wie Elektronen, aber die entgegengesetzte Ladung.

Die erfassten Elektronen und Positronen sind für die AMS-Forscher von besonderem Interesse. Den treten Positronen in der Kosmischen Strahlung gehäuft auf, könnten diese nach einer aktuellen astrophysikalischen Theorie von Dunkler Materie stammen. Liesse sich die Teilchennatur Dunkler Materie auf diesem Weg nachweisen, wäre das nicht weniger als eine Sensation. Heutige Physiker postulieren zwar die Existenz von Dunkler Materie, weil ohne diese Materie die Bewegungen des Sternenhimmels nicht erklärt werden können. Doch fehlt bis heute jeder experimentelle Nachweis der Teilchen, die hinter Dunkler Materie stecken.

Positronen zählen

Genau diesen Nachweis könnte das AMS-Experiment im besten Fall liefern. Dazu misst der Detektor, wie hoch in der Kosmischen Strahlung die Zahl von Positronen in Abhängigkeit von der Energie ist. Die bisherigen Messungen von AMS zeigen, dass das Verhältnis der Positronen zur Summe von Elektronnen und Positronen in der Kosmischen Strahlung mit wachsender Energie zuerst wächst und dieses Wachstum dann langsam abflacht. Ab einer Energie von 275 Gigaelekronenvolt (GeV) steigt die Energie der Positronen nicht weiter an, wie die neusten AMS-Resultate zeigen, die Mitte September 2014 anlässlich eines Seminars am CERN präsentiert wurden.

„Die entscheidene Frage ist nun, wie sich das Verhältnis der Positronen zur Summe von Elektronen und Positronen bei einer Energie über 275 GeV entwickelt“, sagt Physikprofessor Martin Pohl, der für die Universität Genf am AMS-Experiment mitwirkt. Sackt das Verhältnis dann steil ab, würde das die Theorie stützten, dass Elektron-Positron-Paare ihre Herkunft in der Selbst-Annihilation von Dunkler Materie haben. Sinkt das Verhältnis bei Energien über 275 GeV allerdings nicht steil, sondern stufenweise ab, rückt eine andere Erklärung in den Vordergrund: In diesem Fall würden die Elektron-Positron-Paare nicht von Dunkler Materie stammen, sondern wären vermutlich Ausdruck eines bisher unbekannten astrophysikalischen Phänomens: Die Elektron-Positron-Paare könnten dann in den enormen elektromagnetischen Feldern in der Nähe von Pulsaren (schnell rotierenden Neutronensternen) entstanden sein.

Heikler Nachweis

„Bis wir wissen, wie sich das Verhältnis der Positronen zur Summe von Elektronen und Positronen in der Kosmischen Strahlung bei hohen Energien über 275 GeV tatsächlich entwickelt, dürfte noch einige Zeit vergehen, denn der Nachweise ist in diesem Energiebereich sehr zeitaufwändig“, betont Pohl. Allerdings macht der Astroteilchenphysiker deutlich, dass das Rätsel vielleicht auch durch andere Messungen gelöst werden könnte. Liesse sich beispielsweise nachweisen, dass die Positronen je nach Einfallsrichtung unterschiedlich zahlreich vertreten sind, oder dass ihre Zahl im Verlauf der Zeit schwankt, dann wären dies Hinweise, dass die Positronen im Umfeld von Pulsaren entstanden sein könnten. „Die Sache bleibt spannend“, resümiert Pohl.

Auch wenn die wissenschaftliche Sensation vom AMS-Experiment zur Zeit noch auf sich warten lässt, ist Martin Pohl von den jüngsten Resultaten des AMS begeistert: „Die neuen Ergebnisse bestätigen eindrucksvoll, was wir vor einem Jahr aus den ersten AMS-Daten geschlossen hatten: Es gibt eine neue Quelle von Elektronen und Positronen innerhalb oder um die Milchstrasse, die beide Teilchen zu gleichen Teilen und mit einer charakteristischen (Grenz-)Energie von einigen hundert GeV erzeugt. Dies ist nun auch durch die separate Messung der Elektronen- und Positronen-Spektren bewiesen; es zeigt sich auch in der Summe der beiden Spektren, die einfacher zu messen ist.“

Zentraler Beitrag der Universität Genf

Die Universität Genf ist das einzige Schweizer Physikinstitut, das sich heute an der internationalen Kollaboration aus 14 Staaten und rund 600 Forscherinnen und Forschern unter der Leitung von Nobelpreisträger Samuel Ting beteiligt. Dabei legt die Genfer AMS-Gruppe ihren Fokus auf zwei Themen: auf die zeitlichen Variationen des Teilchenflusses, und auf die Spektren schwerer Kerne von Helium aufwärts. In der Vergangenheit haben die Genfer Physiker entscheidend zur Konstruktion des Spektrometers beigetragen, das das Herz des AMS-Detektors bildet. An den Arbeiten war zuerst auch die ETH Zürich beteiligt. Sie hat die AMS-Kollaboration aber unterdessen verlassen.

Benedikt Vogel (veröffentlicht 13. 10. 2014)

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